Über das Werk
„Gewandkünstler“, also plastische Gestalter, die sich entschieden haben, die Körperlichkeit ihrer Dargestellten zum überwiegenden Teil durch Kleidung zu verhüllen, haben ein besonderes Augenmerk auf den Kopf, auf Füße und Hände. Untergeschlagene Arme zeigt Ernst Barlach selten, doch kommen sie in unterschiedlichen Haltungen vor (in seinem Fries der Lauschenden mehrfach), wobei deutlich wird, dass mit dieser Körpergeste unterschiedliches mitgemeint ist. Die Skala reicht von „sich (dem Höheren) öffnen“ über „sich durch aufgelegte Hände wärmen“ bis zu „sich in sich verstärken, festsetzen“, was speziell für Das junge Weib gilt, wie der Nebentitel unserer Figur lautet.
Wir blicken – das ist sofort zu spüren – auf eine Frau in zeitgenössischer Kleidung, die unserem Blick nicht ausweicht, aber unzugänglich ist. Alles an ihr erscheint blockhaft, selbst der Blick durch ihre Füße, technisch durchaus als „Luftzone” lösbar, hat hier Wand-Charakter, genau wie ihr sanft gewölbter Unterkörper, der gedanklich angefüllt erscheint (vergleichbar mit der Plastik Trauer von 1913).
Die Dargestellte besitzt kaum Wirkraum, das deutet die sehr kleine Plinthe an, auf der sie steht. Die Frau verlässt sich auf ihre beiden Standbeine, verschränkt ihre Arme, ist konzentriert, zeigt keinerlei äußere Regung, was – zusammen mit der streng spiegelsymmetrischen Gesamterscheinung (nur die Rockfalte weicht ab) – den Eindruck eines „stillen Wassers” hervorruft: Hinter dieser offen zur Schau gestellten „Wand“ gibt es offenbar eine reiche Innenwelt (Kraft, Durchsetzungswillen), das deuten die Gesichtszüge an, auch wenn die Mimik undurchschaubar bleibt. In der Literatur heißt es dazu treffend, die Frau habe „starken Einschuß von Wärme und Würze der Wirklichkeit”. Dieses Faszinosum lässt Barlach hier anschaulich werden.
Text verfasst und bereitgestellt von Horst Müller