Über das Werk
Heinrich Siepmann – ein echtes Urgestein des Ruhrgebiets, 1904 in Mülheim an der Ruhr geboren und 2002 dort gestorben – gehört zur zweiten Generation des Konstruktivismus. In seinen frühen Schaffensjahren als Mitbegründer der Künstlergruppe junger westen (1948) dem Informel zugeneigt, entwickelte er im Laufe der Zeit eine konstruktiv-konkrete Bildsprache, die auf höchst originäre Weise das Prinzip einer strengen Flächenordnung verfolgt.
Das Gemälde B 18 / 1990 ist geprägt von einer horizontal-vertikalen Formarchitektur und einem sparsamen Einsatz der Farben. Leichte Überlappungen und Verzahnungen der unterschiedlichen Rechtecke erwecken an manchen Stellen den Eindruck, die Formen seien ineinandergeschoben, minimale Größenverschiebungen unterminieren eine präzise Genauigkeit und bringen Spannung in die kompositorische Ebene des Gemäldes.
Innerhalb dieser exakten Bildordnung entfaltet sich eine zurückhaltende malerische Emotionalität, die so typisch ist für das Werk von Heinrich Siepmann. Dieses lyrische Moment verbindet sich mit dem konstruktiv-geometrischen Kalkül zu einer ebenso ausgewogenen wie spannungsreichen Komposition. „Siepmann ist kein Mathematiker“, schrieb Sabine Fehlemann einst über das Spätwerk des Künstlers, „eher ein Lyriker, der seine Gefühle kontrolliert.“
Text verfasst und bereitgestellt von Dr. Doris Hansmann, Kunsthistorikerin
Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Anglistik und Romanistik an der Universität zu Köln, 1994 Promotion. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstmuseum Düsseldorf. Lektorin und Projektmanagerin im Wienand Verlag, Köln. Freiberufliche Tätigkeit als Autorin sowie Lektorin und Buchproduzentin für Verlage und Museen im In- und Ausland. Ab 2011 Cheflektorin im Wienand Verlag, von 2019 bis 2021 Senior Editor bei DCV, Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.