Ernst Ludwig Kirchner - Landschaft mit Bäumen, 1907

Aquarell auf Büttenpapier

28 x 37 cm / gerahmt 50 x 60 cm
11 x 14 inch / gerahmt 19 x 23 inch

rückseitig Aquarell: Wege und Bäume
rückseitig Basler Nachlass-Stempel mit der Nummer: „A Dre/Aa 17“

Rahmen mit spiegelfreier Scheibe

N 9518

Expertise:

Fotoexpertise Dr. Wolfgang Henze, Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach

Provenienz:

Kirchner-Nachlass (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946)

Kirchner Erbengemeinschaft Biberach 1954

Privatsammlung

Literatur:

Uwe Degreif, E. L. Kirchner im Braith-Mali-Museum Biberach - Die Sammlung, Katalog Seite 22 mit Farbabbildung

Ausstellungen:

Essen, Galerie Neher, Herbst-Winter 2022/2023, Katalog mit farbiger Abbildung Seite 23

Über das Werk

Ein Bild wie dieses aus den ersten Schaffensjahren von Ernst Ludwig Kirchner muss in vielfacher Hinsicht als etwas Besonderes gewertet werden: Es ist nicht nur ein hervorragendes Beispiel für den frühen Brücke-Stil, sondern gegenüber nahezu 140 doppelt bemalten Leinwänden auch eines der seltenen Exemplare beidseitig genutzter Aquarellblätter in Kirchners Œuvre.

Am 7. Juni 1905 hatten sich die Freunde und Kommilitonen der Königlich Sächsischen Technischen Hochschule in Dresden – Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt aus Rottluff bei Chemnitz – zur Künstlergruppe Brücke formiert, die Kunst und Gesellschaft revolutionieren wollte. Als „Jugend, die die Zukunft trägt”, so ihr von Kirchner in Holz geschnittenes Programm, „wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften.” Es ist die Geburtsstunde des deutschen Expressionismus.

Waren die ersten malerischen Versuche der jungen Autodidakten noch einem schönlinigen, eher zeichnerisch aufgefassten Jugendstil verhaftet, so sollten sich schon bald eigene Tendenzen zu erkennen geben, die aus der Beschäftigung mit dem Neoimpressionismus hervorgingen. Hier ist vor allem Vincent van Gogh zu nennen, dessen Werk Kirchner im November 1905 in der Dresdner Galerie Arnold studieren konnte. Der Besuch der Ausstellung wurde zum zündenden Funken für seine kraftvollen divisionistischen Bilder mit locker gesetzten Punkten und Flecken sowie flirrend nebeneinander platzierten oder ineinander verschlungenen Linien – „so bunt und fleckig”, schrieb der Kritiker Friedrich Ernst Köhler-Haußen, „wie ich selbst bei den kühnsten französischen Impressionisten nie welche gesehen habe.”

Die Landschaft mit Bäumen entstand in den Sommermonaten des Jahres 1907, als Kirchner und der inzwischen ebenfalls zum inneren Kern der Brücke gehörige Max Pechstein sich zum Arbeiten in die kleinen Dörfer Goppeln und Golberode südlich von Dresden zurückgezogen hatten. Der Künstler malte sein Landschaftsmotiv in einer schnellen und spontanen Niederschrift mit bewegten, manchmal geradezu züngelnden Linien. Der Blick gleitet über den perspektivisch sich verjüngenden Weg am Wald entlang in die Tiefe des Bildes bis zu den Häusern am Rande des in strahlendem Gelb flächig erfassten Feldes im Hintergrund.

Wie später, wenn das Material knapp war und er nichts anderes zur Hand hatte, verwendete Kirchner auch hier die Rückseite des Blattes für ein weiteres Motiv. In leichten, duftigen Aquarelltönen bringt er noch im selben Jahr eine zweite Landschaft zu Papier – mit Wegen, Bäumen, ein paar kleinfigurigen Spaziergängern, darüber der blaue Himmel in fließender, luzider Wasserfarbe.

Kirchners geradezu besessene Arbeitskraft, seine überbordende Kreativität und sein malerisches Genie haben schon in den frühen Schaffensjahren ein Werk hervorgebracht, das zu den herausragenden Errungenschaften des deutschen Expressionismus gehört.

Text verfasst und bereitgestellt von Dr. Doris Hansmann, Kunsthistorikerin

Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Anglistik und Romanistik an der Universität zu Köln, 1994 Promotion. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstmuseum Düsseldorf. Lektorin und Projektmanagerin im Wienand Verlag, Köln. Freiberufliche Tätigkeit als Autorin sowie Lektorin und Buchproduzentin für Verlage und Museen im In- und Ausland. Ab 2011 Cheflektorin im Wienand Verlag, von 2019 bis 2021 Senior Editor bei DCV, Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

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Ernst Ludwig Kirchner, Landschaft mit Bäumen, 1907, 28 x 37 cm / gerahmt 50 x 60 cm, N 9518
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