Karl Schmidt-Rottluff
* 01.12.1884 | Chemnitz
† 09.08.1976 | Berlin
Als Mitglied der Künstlergruppe Brücke wurde Karl Schmidt-Rottluff berühmt, er zählt zu den bedeutendsten Künstlern des Expressionismus. Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Lithografien, Holzschnitte, kunsthandwerkliche und eindrucksvolle plastische Arbeiten kennzeichnen sein ebenso umfangreiches wie vielgestaltiges Schaffen.
Werke von Karl Schmidt-Rottluff
Vita Karl Schmidt-Rottluff
1884
Geboren am 1. Dezember in Rottluff bei Chemnitz als Karl Friedrich Schmidt. Besuch des humanistischen Königlichen Gymnasiums in Chemnitz.
1902
Freundschaft mit Erich Heckel, den er im literarischen Schülerclub Vulkan kennenlernt.
1905
Studium der Architektur an der Königlich-Sächsischen Technischen Hochschule in Dresden. Lernt Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl kennen. Am 7. Juni Gründung der Künstlergruppe Brücke zusammen mit den Kommilitonen. Karl Schmidt ergänzt seinen Namen um seinen Geburtsort und nennt sich fortan Karl Schmidt-Rottluff.
Erste Holzschnitte entstehen. Im November erste Ausstellung der Brücke in der Kunsthandlung P. H. Beyer und Sohn in Leipzig. Er sieht Gemälde von Vincent van Gogh in der Dresdener Galerie Ernst Arnold.
1906
Max Pechstein und Emil Nolde schließen sich der Brücke an. Im Sommer viermonatiger Aufenthalt bei Emil Nolde und seiner Frau auf der Ostseeinsel Alsen.
1906/07
Lässt sich vom Studium beurlauben und widmet sich ausschließlich der bildenden Kunst. Erste Lithografien entstehen.
1907
Schmidt-Rottluff gibt sein Studium endgültig auf. In Hamburg Bekanntschaft mit der Kunsthistorikerin Rosa Schapire, die sich für sein Werk einsetzt. Der Jurist und Sammler Gustav Schiefler erwirbt Lithografien des Künstlers.
1907–12
Regelmäßige Sommeraufenthalte im Dangastermoor und in Dangast am Jadebusen, zeitweilig begleitet von den Kollegen Erich Heckel und Max Pechstein.
1910
Er unterhält einen Wohnsitz in Hamburg bis 1912. Im Frühjahr erste Einzelausstellung in der Galerie Commeter in Hamburg. Große Ausstellung der Brücke in der Galerie Arnold in Dresden. Wird Mitglied der Neuen Secession in Berlin und des Deutschen Künstlerbundes.
1911
Mehrwöchiger Aufenthalt am Hardangerfjord in Norwegen auf Einladung der Hamburger Sammlerin Bertha Rohlsen.
Erste kunsthandwerkliche Arbeiten entstehen. Im Oktober Übersiedlung nach Berlin.
1912
Beteiligung an der Sonderbund-Ausstellung in Köln. Die kubistischen Werke von Pablo Picasso beeindrucken ihn nachhaltig.
Letzter Aufenthalt in Dangast an der Nordsee.
1913
Auflösung der Künstlergruppe Brücke. Sommeraufenthalt in Nidden auf der Kurischen Nehrung. Er beginnt mit dem Sammeln außereuropäischer Stammeskunst.
1914
Mehrwöchiger Aufenthalt in Hohwacht an der holsteinischen Ostseeküste.
1915 –18
Kriegsdienst in Litauen und Russland; zunächst direkt an der Front, bevor er in die Pressestelle des Oberkommandos versetzt wird.
1919
Heirat mit der Fotografin Emy Frisch. Freundschaften mit den Bildhauern Georg Kolbe und Richard Scheibe, der Bildhauerin Emy Roeder und dem Architekten Walter Gropius.
1920
Eine erste Monografie von Wilhelm Reinhold Valentiner erscheint bei Klinkhardt & Biermann.
1920–31
Regelmäßige Sommeraufenthalte in Jershöft an der hinterpommerschen Ostseeküste.
1921
Stattet die Wohnung der Kunsthistorikerin Rosa Schapire in Hamburg mit Möbeln und Kunstwerken aus.
1923
Reist nach Italien mit Georg Kolbe und Richard Scheibe.
1924
Das Werkverzeichnis der Druckgrafik von Rosa Schapire erscheint.
Reisen nach Paris und Dalmatien.
1927–29
Mehrfache Aufenthalte im Tessin.
1930
Stipendiat der Villa Massimo in Rom.
1931
Mitglied der Preußischen Akademie der Künste.
1932–43
Regelmäßige Sommeraufenthalte in Rumbke am Lebasee in Hinterpommern.
1933
Er verlässt die Preußische Akademie der Künste. Seine Werke in deutschen Museen werden beschlagnahmt.
1936
Erste Ausstellung in New York in der Galerie Westermann.
1937
Seine Werke werden bei der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt, andere werden verbrannt.
1941
Malverbot. Ausschluss aus der Reichskammer der bildenden Künste.
1943–46
Nachdem Atelier und Wohnung in Berlin bei einem Bombenangriff zerstört wurden, lebt das Ehepaar in Schmidt-Rottluffs Elternhaus in Rottluff.
Ehrenbürger der Stadt Chemnitz.
1946–59
Professur an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, Lehrtätigkeit von 1947 bis 1954.
Regelmäßige Sommeraufenthalte in Sierksdorf an der Lübecker Bucht bis 1973.
Ab 1948
Regelmäßige Ausstellungen im Frankfurter Kunstkabinett von Hanna Bekker vom Rath.
1949–53
Jährliche Herbstaufenthalte im Tessin.
1952
2. Vorsitzender des deutschen Künstlerbundes; Kunstpreis der Stadt Berlin.
1954
Anlässlich des 70. Geburtstags große Ausstellungen in Berlin, Hamburg, Kiel und Nürnberg.
1956
Eine umfassende Monografie mit einem Werkverzeichnis der Ölgemälde von Will Grohmann erscheint.
Verleihung der Friedensklasse des Ordens Pour le mérite.
1958
Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen.
1961
Kunstpreis der Stadt München.
1963/64
Große Ausstellungen zum 80. Geburtstag in Hannover, Essen, Frankfurt am Main und Berlin.
Der Œuvrekatalog des grafischen Werks von Ernst Rathenau erscheint. Die letzten Gemälde entstehen.
1967
Eröffnung des Brücke-Museums in Berlin auf seine Initiative hin.
1970
Ehrenbürger von Berlin. Letzte Aquarelle entstehen.
1970/71
Letzte Farbstift- und Tuschpinselzeichnungen.
1974
Anlässlich des 90. Geburtstags Ausstellungen in Hamburg, Berlin, Frankfurt und Stuttgart. Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters in New York.
1975
Emy Schmidt-Rottluff stirbt am 30. September.
1976
Der Künstler stirbt am 10. August in Berlin.
Über Karl Schmidt-Rottluff
Die Anfänge
Schon als Schüler entwickelt Karl Schmidt Interesse an Malerei und Literatur, erhält am Königlichen Gymnasium fundierten Unterricht im Wahlfach Kunst und lernt bei Ausstellungsbesuchen in der Chemnitzer Kunsthütte Werke des Naturalismus, Impressionismus und Pointillismus kennen. Er malt erste Landschaftsaquarelle direkt vor der Natur, gefolgt ab 1902 von autodidaktischen Versuchen mit der Ölmalerei.
Die Brücke in Dresden
Im Juni 1905 gründen die Architekturstudenten Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Fritz Bleyl die Künstlergruppe Brücke und formulieren in Ablehnung des bürgerlichen Kunstbetriebs und akademischer Konventionen ihren programmatischen Anspruch an eine „unmittelbare“ und „unverfälschte“ Kunst. Unter dem Eindruck einer Van-Gogh-Ausstellung radikalisiert sich Schmidt-Rottluffs Malerei: Eine leuchtende, expressive Palette reiner Farben sowie pastose, grob und unverbunden gesetzte Pinselstriche oder erregte, formauflösende Lineaturen kennzeichnen nun seine Gemälde und Aquarelle. Schon in den frühen Jahren der Brücke fertigt er zahlreiche Holzschnitte; Landschaftsdarstellungen und Porträts sind seine bevorzugten Bildmotive.
Dangast
Regelmäßige Aufenthalte an der deutschen Küste prägen zeitlebens Schmidt-Rottluffs Arbeitsrhythmus und seine Malerei. In Dangast entwickelt er um 1910 seinen charakteristischen Flächenstil mit stark verdünnter Ölfarbe in farbgewaltigen, summarischen Landschaftskompositionen. Das Stillleben ergänzt nun als weiteres Sujet sein Schaffen.
Berlin
Obgleich das Erleben der Großstadt keinen motivischen Niederschlag im Werk findet, wandelt sich Schmidt-Rottluffs Malerei mit der Übersiedlung nach Berlin 1911: Kubistische und futuristische Stilmittel finden Eingang ins Werk, lassen die Fläche aufbrechen und bringen eine neue Auseinandersetzung mit dem Volumen. Schmidt-Rottluffs Beschäftigung mit außereuropäischer Stammeskunst aus Afrika und Ozeanien findet in Form von Masken, Pfeifenköpfen, Plastiken oder Schalen Eingang in seine Stillleben.
Aktdarstellungen
Das Aktmotiv erlangt in seinem Werk nie den Stellenwert, den es bei den anderen Brücke-Künstlern innehatte. Erste Darstellungen im Interieur entstehen 1912, Akte in der Landschaft 1913 bei einem Aufenthalt in Nidden auf der Kurischen Nerung: Wuchtige Körper in glühendem Inkarnat und kürzelhafter Reduktion verschmelzen mit der sie umgebenden Natur. Auch in den folgenden Jahren dominiert in Malerei und Holzschnitt die Figurendarstellung, oftmals mit einem Ausdruck des Melancholischen, in sich Gekehrten. Die Inspiration durch die afrikanische Plastik schlägt sich in der oft maskenartigen Auffassung der Gesichter nieder.
Erster Weltkrieg
Der Kriegsdienst in Litauen und Russland lässt nur wenig Raum für die künstlerischen Arbeit, doch schnitzt Schmidt-Rottluff während dieser Zeit in gefundenes Holz vereinzelt Druckstöcke und 1916/17 erste vollplastische Arbeiten in einer primitivistischen Formensprache. Noch während dieser Zeit beginnt er 1918 mit der Arbeit an seiner eindrucksvollen Holzschnittfolge aus dem Leben Christi.
Die 1920er Jahre
Nach dem Krieg nimmt Schmidt-Rottluff die Malerei in Öl und Aquarellfarben wieder auf. Fasziniert vom einfachen Leben im kleinen Ostseedorf Jershöft malt er Bilder von Fischern, Bauern und Handwerkern bei der Verrichtung ihrer täglichen Arbeit. Die großzügigen Flächenformen seiner Bilder sind meist mit schwarzem Kontur umrissen. Vor dem Hintergrund der Neuen Sachlichkeit und der Bekanntschaft mit den Bildhauern Georg Kolbe und Richard Scheibe ist Mitte der 1920er Jahre ein Stilwandel zu beobachten: In Landschaften, Stillleben, Bildnissen und Akten entwickelt die Malerei eine gedeckte Palette, der Bildraum eine plastische Durchgestaltung. Bei einem Aufenthalt an der Villa Massimo in Rom 1930 widmet er sich fast ausschließlich architektonischen Motiven.
Jahre der Diffamierung
Die Zeit der Nationalsozialistischen Herrschaft ist für Schmidt-Rottluff geprägt von Diffamierung, Beschlagnahmung, Zerstörung seiner Werke sowie Ausstellungs- und schließlich Berufsverbot. Der Maler hält sich nur noch selten in Berlin auf, er zieht sich zurück nach Hofheim in den Taunus, wo die Sammlerin Hanna Bekker vom Rath ihm Zuflucht gewährt, oder in das einsame Fischerdorf Rumbke am Lebasee in Hinterpommern. Der Mensch verschwindet aus seinem Werk, die stillen, oft melancholischen Landschaftsdarstellungen gewinnen symbolischen Charakter und werden, ebenso wie die Werkgruppe der Masken, zum Spiegel innerer Befindlichkeit im Interieur wird der Rückzug auf den nahen, unmittelbaren Lebensraum greifbar.
Neubeginn nach 1945
Aufgrund der Berufung zum Professor kehrt Schmidt-Rottluff 1946 nach Berlin zurück. Hier knüpft er in Stillleben, Landschaften und Selbstporträts mit einer kühnen, opulenten Farbgebung und äußersten Verknappung der Form an Bestehendes an und bleibt den Stilmitteln des Expressionismus treu. Als ornamentales Element gewinnt die farbige Linie zunehmend ein bildnerisches Eigenleben und versetzt die Fläche in Schwingung.
Das Spätwerk
Mit 80 Jahren gibt Schmidt-Rottluff das Malen in Öl auf Leinwand auf und konzentriert sich im letzten Lebensjahrzehnt ausschließlich auf Aquarelle sowie Tusche- und Farbstiftzeichnungen. Die expressive Farbigkeit seines vorangegangenen Werks weicht nun einer zarteren, durchleuchteten, transzendenten Tonigkeit, welche die Bildgegenstände zunehmend entmaterialisiert.