Über das Werk
Fritz Overbecks Name ist untrennbar mit der Worpsweder Künstlerkolonie verbunden. Von 1894 bis 1905 lebte und arbeitete der Landschaftsmaler im Kreise der Freunde und Künstlerkollegen Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Hans am Ende und Heinrich Vogeler, malte Felder und Wiesen, den Weyerberg und das Teufelsmoor, Birken, Bauernkaten und Moorkanäle sowie zahlreiche eindrucksvolle Wolkenformationen über einsamer Natur. Keine groß komponierten Landschaften, sondern scheinbar zufällig gewählte Bildausschnitte im stimmungsvollen Kolorit des fahlen Mondlichtes, der glühenden Abenddämmerung oder einer satten herbstlichen Färbung.
Weniger bekannt ist, dass von 1905 bis 1909 mit rund 100 Gemälden und circa 400 Ölstudien mehr als die Hälfte seines Œuvres entstand, nachdem Overbeck Worpswede den Rücken gekehrt hatte und mit seiner Familie nach Bröcken bei Vegesack übergesiedelt war. Auch hier widmete er sich häufig der umgebenden Landschaft, zog mit Skizzenblock und Palette hinaus in die Natur.
Die Landschaft "Große Wolke über dem Heidehügel" aus dem Jahr 1908 entstand offenbar bei einem Ausflug nach Lemwerder auf der gegenüberliegenden Weserseite, wohin Overbeck häufig mit der Fähre übersetzte. Noch einmal kehrte der Maler, der im Juni des Jahres gegenüber Otto Modersohn die mangelnde künstlerische Inspiration in Bröcken beklagt und sehnsuchtsvoll die Worpsweder Zeit ins Gedächtnis gerufen hatte, zur typischen Motivwelt seiner früheren Jahre zurück. Der Blick fällt auf eine leichte Anhöhe mit einer von Büschen bewachsenen Kuppe – ein unspektakuläres Stückchen Natur in satten, braunen Erdfarben, dargestellt aus leichter Untersicht. Darüber der groß gesehene Himmel mit zahlreichen Wolken, die über das Land hinwegziehen. Der Maler machte sie so oft zu seinem beherrschenden Bildgegenstand, dass die „Overbeckschen Wolken” zu einem Inbegriff seiner Malerei geworden sind. Rainer Maria Rilke bezeichnete sie als "greifbar und groß, Wolkendörfer, eine Wolkenstadt", und der Künstler selbst schrieb 1895 in der Zeitschrift Die Kunst für alle: "Was hülfen uns unsere Strohhütten, Birkenwege und Moorkanäle, wenn wir diesen Himmel nicht hätten, welcher alles, selbst das Unbedeutendste adelt, ihm seinen unsagbar koloristischen Reiz verleiht […]."
Text verfasst und bereitgestellt von Dr. Doris Hansmann, Kunsthistorikerin
Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Anglistik und Romanistik an der Universität zu Köln, 1994 Promotion. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstmuseum Düsseldorf. Lektorin und Projektmanagerin im Wienand Verlag, Köln. Freiberufliche Tätigkeit als Autorin sowie Lektorin und Buchproduzentin für Verlage und Museen im In- und Ausland. Ab 2011 Cheflektorin im Wienand Verlag, von 2019 bis 2021 Senior Editor bei DCV, Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.