Otto Modersohn
* 22.02.1865 | Soest
† 10.03.1943 | Rotenburg bei Hannover
Als einer der Gründerväter der Worpsweder Künstlerkolonie wurde Otto Modersohn berühmt; er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Landschaftsmaler. Die Orte seines Wirkens, Soest und Münster in der Jugend, Worpswede und Fischerhude mit ihren langen, intensiven Schaffensphasen, aber auch Studienreisen nach Franken und Aufenthalte in den Bayerischen Alpen prägen sein umfangreiches malerisches Werk.
Werke von Otto Modersohn
Vita Otto Modersohn
1865
Geboren am 22. Februar im westfälischen Soest.
1874
Umzug der Familie nach Münster.
1884–88
Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, ab 1887 bei Eugen Dücker.
1885
Mitbegründer der studentischen Künstlervereinigung Tartarus.
1888
Studium an der Kunstakademie Karlsruhe bei Hermann Baisch.
1889
Erster Aufenthalt in Worpswede zusammen mit Fritz Mackensen und Hans am Ende. Besuch der Pariser Weltausstellung.
1891–93
Im Wintersemester Schüler von Eugen Bracht in Berlin.
1893
Auf der Jahresausstellung im Münchener Glaspalast werden zwei seiner Gemälde gezeigt.
1894
Gründung der Künstlervereinigung Worpswede mit Hans am Ende, Fritz Mackensen, Fritz Overbeck, Carl Vinnen und Heinrich Vogeler.
1895
Erste Ausstellung der Künstlervereinigung Worpswede im Kunstverein in Bremen. Teilnahme an der Jahresausstellung von Kunstwerken aller Nationen im Königlichen Glaspalast in München. Sie macht die Worpsweder Künstler bekannt.
1896
Entdeckt zusammen mit Fritz Overbeck das nahegelegene Dorf Fischerhude.
1897
Erwerb eines Hauses in Worpswede. Heirat mit Helene Schröder (1868–1900). 1898 wird die Tochter Elsbeth geboren.
1898
Lernt Paula Becker kennen, die ein Studium bei Fritz Mackensen aufgenommen hat.
1899
Austritt aus der Künstlervereinigung Worpswede.
1900
Besuch der Weltausstellung in Paris gemeinsam mit Hermine und Fritz Overbeck sowie Marie Bock zu Paula Becker und Clara Westhoff, die sich zum Studium in Paris aufhalten. Helene Modersohn erliegt am 14. Juni während seiner Abwesenheit in Worpswede ihrer Lungentuberkulose. Am 12. September Verlobung mit Paula Becker.
1901
Am 25. Mai Heirat mit Paula Becker (1876–1907).
1903
Sommeraufenthalt auf Amrum.
1905
Reise nach Paris, wo sich Paula Modersohn-Becker aufhält.
1906
Nach vorübergehender Trennung von Modersohn-Becker verbringt Modersohn einige Monate in Paris.
1907
Gemeinsame Rückkehr nach Worpswede. Paula Modersohn-Becker stirbt am 20. November kurz nach der Geburt der Tochter Mathilde.
1908
Übersiedlung ins nahegelegene Fischerhude.
1909
Am 14. April Heirat mit der Opernsängerin Louise Breling (1883–1950), Tochter des Malers Heinrich Breling. Geburt der Kinder Ulrich 1913 und Christian 1916.
1911
Otto Modersohn setzt sich gegen Carl Vinnens Streitschrift Ein Protest Deutscher Künstler und für den Ankauf des Gemäldes Mohnfeld von Vincent van Gogh durch die Kunsthalle Bremen ein.
1916
Erste Studienreise nach Franken.
Ab 1922
Ausgedehnte Studienreisen nach Wertheim und Würzburg.
1925
Erster Sommeraufenthalt im Allgäu. Es folgen weitere 1926, 1927 und 1929.
1930
Erwerb eines Bauernhauses auf dem Gailenberg bei Hindelang im Allgäu, wo Modersohn bis 1935 die Sommermonate verbringt.
1936
Netzhautablösung und Erblindung des rechten Auges. Seither malt Otto Modersohn ausschließlich im Atelier.
1938
Verleihung des Niederdeutschen Malerpreises.
1939
Letzte Reise nach Hindelang im Allgäu.
1940
Erhält die Goethe-Medaille.
1942
Verleihung des Professorentitels h. c.
1943
Stirbt am 10. März nach kurzer Krankheit im Krankenhaus in Rotenburg (Wümme).
Über Otto Modersohn
Frühwerk in Westfalen
Schon als Junge ist Otto Modersohn der Natur zugewandt, er zeichnet Insekten und Pflanzen mit Bleistift und Buntstiften in seine Malbücher. 1884 beginnt der 19-Jährige ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, fühlt sich jedoch von der Landschaftskomposition seines Lehrers Eugen Dücker enttäuscht. Angeregt durch die Freilichtmalerei der Schule von Barbizon malte er in der Umgebung von Soest, Münster und Tecklenburg kleinformatige Ölstudien und erste Landschaftsbilder, die sich durch ein sensibles Gespür für Farbe und Stimmung sowie eine lockere Pinselführung auszeichnen.
Künstlervereinigung Worpswede
Am 3. Juli 1889 kommt Otto Modersohn in Begleitung seines Studienfreundes Fritz Mackensen zum ersten Mal nach Worpswede, ein kleines niedersächsisches Moordorf, das auf der künstlerischen Landkarte bis dahin noch keinerlei Beachtung gefunden hat. Sofort fühlt er sich angesprochen von der weiten, flachen Landschaft mit ihren Moorkanälen, den Torfabstichen, den Tümpeln im Moor, den zarten Birken, den Wiesen und Feldern, den Moorkaten und Bauernhäusern und dem wolkenreichen Himmel, die als Motive Eingang in seine Malerei finden.
Schnell gesellen sich andere Maler hinzu: Noch im selben Jahr Hans am Ende, 1893 und 1894 Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler, ebenfalls Düsseldorfer Kunststudenten. Die Maler beschließen, der Akademie den Rücken zu kehren und sich ganz in Worpswede niederzulassen, 1895 gründen sie die Künstlervereinigung Worpswede.
Durchdrungen von dem Wunsch nach einer Kunst, „die über das optische Sehen (fast) hinausgreift und den Gehalt, die Eigenschaft der Dinge erreichen will“, gewinnt Otto Modersohns Malerei einen zunehmend stimmungsvollen Charakter. Die kraftvolle Steigerung und Intensivierung der Farben, das Einfangen des leuchtenden Abendlichts oder der klangvollen Farbakkorde des Herbstes führen zu einer dramatischen Durchdringung der Landschaft.
Aufgrund auseinanderdriftender künstlerischer Auffassungen und einer zunehmenden Konkurrenz erklärt Otto Modersohn 1899 seinen Austritt aus der Künstlervereinigung, gefolgt von Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler.
Otto Modersohn und Paula Modersohn-Becker
1898 beginnt die junge Kunststudentin Paula Becker eine Ausbildung bei Fritz Mackensen. Schnell werden sie und Otto Modersohn nach dem Tod seiner ersten Frau ein Paar. Die Ehe ist von einem regen künstlerischen Austausch geprägt und hält bereichernde Impulse auch für den elf Jahre älteren bereit. Seine Malerei wird freier, der Pinselstrich großzügiger. Seine Bilder sind nun geprägt durch eine Vereinfachung der Motive und eine zunehmende Abkehr vom Detailreichtum. Auch die Figur erhält nun einen größeren Stellenwert und bereichert das Landschaftsmotiv; um 1900 entstehen zudem einige weniger bekannte, eindrucksvolle Märchendarstellungen.
Übersiedlung nach Fischerhude
Bereits 1896 hat Otto Modersohn bei einer Wanderung mit Fritz Overbeck das benachbarte Fischerhude entdeckt und übersiedelt nach dem frühen Tod von Paula Modersohn-Becker 1908 dorthin. In der Abgeschiedenheit der weiten Wümmelandschaft sucht er Trost in der Malerei, die hier noch einmal eine Weiterentwicklung erfährt. Vermehrt setzt er nun dunklere, sattere Farben ein, die breit gesetzten Pinselzüge gewinnen eine gewisse Autonomie und lassen einen Widerhall auf Paul Cézannes und Vincent van Goghs Malerei spüren. Die expressionistischen Stilentwicklungen nimmt Otto Modersohn zwar zur Kenntnis, bleibt aber sich selbst treu, indem er die „Kraft“ seiner Bilder „nicht in der Buntheit“ sucht.
Reisen nach Franken
Von 1916 bis 1927 unternimmt Modersohn mit seiner dritten Ehefrau Luise Breling eine Reihe von Studienreisen nach Franken. In Wertheim und Würzburg findet der Künstler neue Anregungen: Das Atmosphärische rückt nun in den Blick, die Auseinandersetzung mit Licht und Luft in weichen, diffusen Übergängen wird zu einem wichtigen Bildthema. Hier kündigt sich bereits an, was im Spätwerk in eine ganz eigene Bildsprache mündet.
Im Allgäu
1925 reist die Familie erstmals ins Allgäu, das dem Maler eine völlig neue Motivwelt erschließt, die er als packend und dramatisch erlebt. Auf Drängen seiner Frau erwirbt Otto Modersohn 1930 ein altes Bauernhaus auf dem Gailenberg bei Hindelang, wo er die Frühlings- und Sommermonate verbringt. Angeregt durch die reichhaltige Alpenflora hält hier auch das Blumenstillleben Einzug in sein Werk. Anders als seine Frau jedoch wird Otto Modersohn nie ganz heimisch in den bayerischen Alpen und zieht sich zunehmend wieder nach Fischerhude zurück.
Das Spätwerk
Bestimmend für Modersohns Spätwerk werden Herbst und Winter mit ihren Überschwemmungen, der nebelverhangenen Ebene und der verschneiten Landschaft. Eine lasierende, transparente Malweise erobert die Leinwand und fängt mit weichem Licht und einer feinen Nuancierung des Kolorits subtile atmosphärische Stimmungen ein. Modersohns Malerei der letzten zehn Schaffensjahre wird körperlos, lyrisch und geheimnisvoll.
Text verfasst und bereitgestellt von Dr. Doris Hansmann, Kunsthistorikerin
Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Anglistik und Romanistik an der Universität zu Köln, 1994 Promotion. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstmuseum Düsseldorf. Lektorin und Projektmanagerin im Wienand Verlag, Köln. Freiberufliche Tätigkeit als Autorin sowie Lektorin und Buchproduzentin für Verlage und Museen im In- und Ausland. Ab 2011 Cheflektorin im Wienand Verlag, von 2019 bis 2021 Senior Editor bei DCV, Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.