Über das Werk
Ewerdt Hilgemanns bildhauerische Methode ist spektakulär, und jeder, der einmal Zeuge eines solch dramatischen Schauspiels geworden ist, wird das bestätigen. Am Anfang des Prozesses steht eine sorgfältig bearbeitete und verschweißte geometrische Figur aus stabilem Edelstahl – in diesem Falle ein Kubus, die Grundform in Hilgemanns skulpturalem Schaffen. Angeschlossen an eine Vakuumpumpe wird dem Hohlkörper nun langsam die Luft entzogen. Es dauert ein klein wenig, aber dann geben die Oberflächen immer mehr nach, fallen unter Ächzen und Stöhnen in sich zusammen, die Seitenkanten knicken ein und die makellose Plastik faltet und verformt sich in einer fortschreitenden Metamorphose. Was eben noch Ausdruck einer systematischen und konstruktiven künstlerischen Haltung zu sein schien, unterliegt durch die Einwirkung der elementaren Kräfte der Natur einer gewaltigen Dynamik, die sich tief in den skulpturalen Körper einschreibt. In Werken wie diesen verbinden sich Zerstörung und kreative Schöpfung, strenge Konstruktion und Zufall, rationale Planung und das freie Spiel physikalischer Kräfte.
„Für mich“, so der Künstler, „ist wirkliche Kunst, alte wie neue, immer eine Kombination von Geist und Gefühl. Kunst muss eine irrationale Qualität haben, wie rational auch die Methoden sein mögen, um sie hervorzubringen.“
Text verfasst und bereitgestellt von Dr. Doris Hansmann, Kunsthistorikerin
Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Anglistik und Romanistik an der Universität zu Köln, 1994 Promotion. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstmuseum Düsseldorf. Lektorin und Projektmanagerin im Wienand Verlag, Köln. Freiberufliche Tätigkeit als Autorin sowie Lektorin und Buchproduzentin für Verlage und Museen im In- und Ausland. Ab 2011 Cheflektorin im Wienand Verlag, von 2019 bis 2021 Senior Editor bei DCV, Dr. Cantz’sche Verlagsgesellschaft, Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.